Szene aus "The Case of Hana and Alice"

The Case of Hana and Alice

Die 14jährige Tetsuko “Alice” Arisugawa hat allen Grund, schlecht gelaunt zu sein. Ihre Eltern haben sich getrennt und sie zieht mit der Mutter in eine neue Stadt. Damit verbunden ist auch der Wechsel in eine neue Schule. Ehe sich Alice mit den neuen Umständen vertraut machen kann, stolpert sie in mysteriöse Ereignisse. Denn der Tisch, der ihr in der neuen Klasse zugewiesen wird, gehörte vor ihr einem gewissen Kotaro Yuda, der verschwunden ist und Gerüchten zufolge tot sein soll. Die Mitschülerin Moo enthüllt ihr vor versammelter Klasse, dass Alice verflucht sein wird, wenn sie nicht alle zusammen ein Beschwörungsritual ausüben. Später stellt sich heraus, dass Kotaro in jenem Haus gelebt hat, in das Alice mit ihrer Mutter frisch eingezogen ist. Und die geheimnisvolle Mitschülerin Hana, die seit dem Verschwinden des Jungen ihre Wohnung nicht mehr verlässt, wohnt gleich gegenüber.

In Animes ist bekanntlich alles möglich, aber was hier so “dämonisch” beginnt, wechselt schnell die Richtung. Der Autor und Regisseur Shunji Iwai will keine Horrorgeschichte erzählen. Er macht Alice mit der Nachbarin Hana bekannt und gemeinsam beschließen sie, dem Verschwinden Kotaros nachzugehen.

Was den Film so sehenswert macht, ist nicht unbedingt die Handlung selbst, sondern die Fähigkeit Iwais, Alltagsbeobachtungen und Beiläufigkeiten sanft in den Fluss einer Geschichte einzuweben, die von der Entstehung einer Freundschaft erzählt. Wir begegnen nicht vielen Nebenfiguren in seinem Film, aber alle tragen dazu bei, Alice’ persönliche Entwicklung voranzubringen. Ihre Unsicherheit und Neugierde, ihre Planlosigkeit und die Suche nach Stärken und Zielen im Leben werden einfühlsam und nachvollziehbar erzählt.

Technisch überzeugt der Film mit großartigen Animationen, die mittels Rotoskopie erstellt wurden – reale Schauspieler führen die Bewegungen aus, die dann abgezeichnet werden. Die Figuren wirken auf den ersten Blick etwas “roh” und abstrahiert, entwickeln aber trotzdem eine erstaunlich glaubwürdige Persönlichkeit. Die Hintergründe sind im Kontrast dazu extrem detailreich angelegt. In der Kombination kommt ein optisch frisches, lebendiges Stück Kino heraus.

Shunji Iwai hat die Figuren der beiden Mädchen ursprünglich für eine Reihe von Kurzfilmen entwickelt, drehte 2004 dann den Spielfilm “Hana and Alice” und schiebt mit dem Anime jetzt die Vorgeschichte nach, wie die Freundinnen sich kennengelernt haben. Im Original sprechen die Rollen die Schauspielerinnen des früheren Realfilms. Da es sich hier also gewissermaßen um ein Prequel handelt, benötigt man kein Vorwissen über die Figuren. “The Case of Hana and Alice” ist ein eigenständiges Werk, ein so leiser wie schöner Film über alltägliche Begegnungen.

The Case of Hana and Alice

von Shunji Iwai, Japan 2015,

Länge 99 Minuten, ab 12 Jahren

Auf deutscher DVD/BluRay erschienen 2023 (deutsch/japanisch)

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The Case of Hana and Alice